Warum westliche Firmen an Markenrechten in Russland festhalten

Seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 haben einer Studie der ukrainischen Kyiv School of Economics (KSE Institute) zufolge mehr als 460 internationale Unternehmen ihre Geschäftstätigkeit in Russland eingestellt, indem sie ihre Vermögenswerte verkauft oder liquidiert haben. Demnach haben 59 globale Marken den russischen Markt vollständig verlassen.
25 dieser Unternehmen halten aber an der Registrierung ihrer Marken in Russland fest, wie die DW nach einer Untersuchung der Datenbank des russischen Patentamtes "Rospatent" herausfand. Zu ihnen gehören das Möbelkaufhaus Ikea, die Fast-Food-Kette McDonald's, sowie die Autobauer Mercedes-Benz, Jaguar und Volvo.
Die übrigen 34 Unternehmen haben ab Februar 2022 keine Anträge mehr zur Nutzung ihrer Marken in Russland eingereicht, darunter der deutsche Konsumgüter- und Klebstoffhersteller Henkel und der finnische Energieversorger Fortum. Einige Unternehmen, etwa der Konsumgüterhersteller Unilever oder British American Tobacco, haben die Markenrechte an einigen ihrer Produkte an ihre ehemaligen russischen Niederlassungen übertragen. Formal haben sie mit ihnen nichts mehr zu tun.

"Die Rückkehr westlicher Unternehmen", "Westliche Unternehmen folgen Ariston und strömen nach Russland", "Die Staatsduma spricht sich für die Rückkehr westlicher Unternehmen aus" - die russische Presse war in den letzten Wochen voll von solchen Schlagzeilen. Zum Beleg verwiesen die Medien auf die Rospatent-Webseite, laut der Firmen wie McDonald's oder KFC, die zuvor ihren vollständigen Rückzug aus Russland angekündigt haben, neue Marken oder die Verlängerung bestehender Markenrechte beantragt haben.
Auch Ikea ist ins Rampenlicht geraten. Der schwedische Konzern hatte die umfassende Invasion Russlands in der Ukraine klar verurteilt und sein Geschäft verkauft. Im Jahr 2024 verließ Ikea endgültig die Russische Föderation und verkaufte sein letztes Lager in der Region Moskau, wo es 2003 seine Präsenz in Russland begonnen hatte. Laut der Rospatent-Datenbank hat Ikea mindestens vier Anträge auf Verlängerung der Registrierung seiner Marken ab Februar 2022 gestellt, von denen einer noch geprüft wird.
Wer hat seine Marke aufgegeben?Die übrigen Unternehmen auf der Liste der Studie der Kyiv School of Economics haben keine Anträge mehr gestellt oder diese zurückgezogen, wie beispielsweise Henkel. Der deutsche Waschmittel- und Klebstoffproduzent hat die Prozedur zur Verlängerung seiner Markenrechte im Jahr 2022 gestoppt, und die bisherige Registrierung läuft Ende dieses Jahres aus.
Insgesamt ist das Zertifikat für eine Marke zehn Jahre gültig und vielen Unternehmen, die vor Februar 2022 einen Antrag gestellt haben, bleibt noch etwas Zeit.
So hatte die deutsche Baumarktkette Obi schon 2021 einen Antrag auf Markenregistrierung gestellt, der aber erst Ende 2022 bewilligt wurde. Das geistige Eigentum des Unternehmens bleibt also theoretisch noch jahrelang geschützt.
Allerdings kann es Ausnahmen geben. Nach russischem Recht darf ein Wettbewerber das Nutzungsrecht an einer "herrenlosen" Marke gerichtlich anfechten, wenn diese drei Jahre lang nicht genutzt wurde. So gelang es dem russischen Klimaanlagenhersteller Rusklimat im März dieses Jahres, die Registrierung der Marke des schwedischen Konzerns Ericsson gerichtlich für nichtig erklären zu lassen.
Warum Firmen ihre Marken schützenDer russische Ökonom und Journalist Jan Melkumow sieht die Verlängerung von Markenrechten vor allem als formales Verfahren. Ein Antrag deute darauf hin, dass sich ein Unternehmen in Russland nicht von seiner Marke trennen wolle. "Unternehmen möchten vermeiden, dass jemand anderes ihre Marken verwendet. Sie wollen kein Geld für Anwälte ausgeben und keine neue Registrierung durchlaufen", erläutert er gegenüber DW.
Wenn Unternehmen beim Verkauf ihrer Vermögenswerte in Russland ein Rückkaufsrecht vereinbart haben, dann können sie laut Melkumow auch ihre Marken zurückbekommen. Sollten diese vom Käufer aber bereits weiterverkauft worden sein, könne ein Rückkauf Jahre in Anspruch nehmen.

Gleichzeitig betont Melkumow, dass sich angesichts der unruhigen politischen Lage und der hohen Risiken nur wenige große Unternehmen für eine Rückkehr nach Russland entscheiden würden. "Für sie ist das eine Frage strategischer Planung. Sollte sich die politische Lage in fünf oder zehn Jahren ändern, wird es für sie einfacher sein, ihre Präsenz wiederherzustellen", sagt Melkumow.
Ihm zufolge hängt eine Rückkehr auf den russischen Markt weniger von der Bereitschaft der Firmen ab als vielmehr von der politischen Lage und dem Regime in Russland. "Selbst unter günstigen Bedingungen wird eine Rückkehr nicht an die 1990er Jahre erinnern. Es wird nicht so viel Enthusiasmus und Vertrauen in Russland geben wie damals - man wird vorsichtig sein", so Melkumow.
Vorsicht spricht auch aus den Mitteilungen von McDonald's und Coca-Cola. Die ukrainische Organisation B4Ukraine, die sich für eine Isolierung Russlands einsetzt, hatte zahlreiche Firmen zu ihren Plänen auf dem russischen Markt befragt. Die beiden US-Unternehmen haben ihre Position in Antwortschreiben erläutert, die B4Ukraine veröffentlicht hat.
McDonald's teilte mit, dass die Gründe, die das Unternehmen 2022 zur Abkehr von Russland veranlasst haben, "heute immer noch gültig sind". Coca-Cola schrieb, dass "Sanktionen und andere rechtliche Hürden in Kraft bleiben, die jede Überlegung über eine Rückkehr auf den russischen Markt beeinflussen".
Chinesen nehmen Platz westlicher Firmen einMittlerweile haben die russischen Behörden bestimmte Kriterien für eine Rückkehr von Unternehmen nach Russland erarbeitet. Laut dem Webportal RBC könnten ausländische Unternehmen verpflichtet werden, eine Produktion vor Ort, einen Transfer von Technologien sowie eine Gründung von Joint Ventures mit russischen Anteilseignern zu garantieren.
Doch vorerst steht all dies nur auf dem Papier, und die wahren Nutznießer der jetzigen Lage sind Unternehmen aus China, Indien und dem Nahen Osten. Sie nehmen aktiv den Platz westlicher Konkurrenten ein, betont Jan Melkumow. Einer Studie des Beratungsunternehmens Nikoliers zufolge haben beispielsweise bereits 27 Bekleidungs- und Schuhmarken aus diesen Ländern den Platz von 32 westlichen Unternehmen eingenommen, die den russischen Markt verlassen haben.
Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk
dw