Omnibus-Initiative: Wie Asset Manager das ESG-Reporting prägen können

Die Omnibus-Initiative der EU vereinfacht die nachhaltigkeitsbezogenen Berichtspflichten und entlastet die Unternehmen. Für Asset Manager ergibt sich daraus aber ein Problem: Woher beziehen sie künftig verlässliche ESG-Daten – gerade über mittelgroße bis MDAX-Unternehmen, die von der Berichtspflicht ausgenommen sind? Doch die Daten-Lücke birgt auch Chancen – für Distinktion auf dem Markt, für eine aktive Rolle bei der Energiewende in der Wirtschaft.
Weniger Bürokratie, mehr Wettbewerb – das ist die simple Logik hinter der Omnibus-Initiative, die im Februar dieses Jahres von der Europäischen Kommission vorgestellt wurde. Dahinter stand einerseits der politische Druck der Staats- und Regierungschefs der EU. In der Budapest-Deklaration forderten sie eine Reduzierung der Berichtspflichten um rund 25 Prozent.
Andererseits gab es starke Stimmen aus der Wirtschaft, die eine Kursanpassung forderten. Für die Finanzbranche bedeuten die Änderungen im CSRD-und CSDDD-Reporting sowie bei der EU-Taxonomie nun einen Paradigmenwechsel. Gerade Asset Manager setzt sie unter Handlungsdruck angesichts der riesigen Daten-Lücke, die für die Zukunft zu erwarten ist. Denn 80 bis 85 Prozent weniger Unternehmen sind bald zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet.
Asset Manager sind also gefordert, andere Wege der Datenbeschaffung zu finden. Gleichzeitig werden sie neue Standards und Kriterien entwickeln müssen, um die Nachhaltigkeit eines Unternehmens bewerten zu können. Beides sind ohne Frage Herausforderungen. Doch mit der Umsetzung der Omnibus-Initiative gehen auch Chancen für Asset-Manager einher: Es ergeben sich neue Freiräume bei der Nachhaltigkeitsbewertung von Unternehmen. Das bietet wiederum die Gelegenheit, sich zu profilieren und auf dem Markt positiv abzusetzen. Vor allem aber können sie die Gelegenheit am Schopf packen und noch mehr Einfluss bei der ökologischen Transformation der Wirtschaft gewinnen.
Kreative Lösungen für die DatenbeschaffungDoch wo kommen die Daten her, wenn nicht von den Unternehmen selbst? Asset Manager sind gefordert, nach kreativen Lösungen zu suchen, um dieses Problem zu adressieren. Das bedeutet zum einen, dass sie neue Datenquellen erschließen müssen. Auf dem Markt gibt es bereits eine Reihe von Anbietern und Softwarelösungen, die ESG-Daten aus verschiedenen Quellen aggregieren, analysieren und aufbereiten.
Viele dieser Tools bieten KI-gestützte Analysen, automatisierte Datenintegration und Schnittstellen zu externen Datenbanken, um fehlende Unternehmensdaten zu ergänzen. Eine weitere Option klingt banal, ist sie aber nicht: Der direkte Dialog mit den Unternehmen. Das war bereits in der Vergangenheit eine gängige Methode, um mehr über Status Quo und Zielsetzung eines Unternehmens in Erfahrung zu bringen. Dieser Informationskanal wird in Zukunft jedoch enorm an Relevanz gewinnen.
Mehr Zeit für die TransformationOmnibus bringt für die Finanzmarktakteure Erleichterung und Entlastung, während Nachhaltigkeit auf der Agenda der Unternehmen nach unten rutscht. Das ist eine Sicht auf Omnibus und die möglichen Folgen der Initiative. Ein anderer Blickwinkel: Sie verschafft uns mehr Zeit. Sie räumt uns als Gesellschaft die realistische Chance ein, die notwendige Transformation der Wirtschaft unter den richtigen Voraussetzungen anzugehen. Denn es ergeben sich neue Freiheiten für Investitionsentscheidungen.
Asset Manager müssen ihr Portfolio weniger strikt nach dem ESG-Impact eines Unternehmens ausrichten, sondern können finanzielle Aspekte wieder stärker in den Fokus rücken. Das mag erstmal paradox klingen, doch so lassen sich kurzfristig hohe Renditen erzielen, die für das Langzeitprojekt Nachhaltigkeit reinvestiert werden können. Denn klar ist auch: Die Transformation der Wirtschaft lässt sich nicht über Steuerpolitik gestalten. Es ist die Finanzbranche, die den Wandel lenkt und Impulse setzt.
Außerdem haben es Asset Manager nun stärker selbst in der Hand zu definieren, was nachhaltig ist und was nicht. Ein Beispiel: Ich verwalte als Asset Manager ein Fondsprodukt mit der Investmentstrategie, die CO2-Emissionen im Portfolio Jahr für Jahr zu reduzieren. Teil dieses Fonds sind rund 100 Unternehmen, die in ganz unterschiedlichen Branchen vertreten sind – sie stellen Autos her, Zement oder Stahl. Große Unternehmen werden die dafür erforderlichen Daten auch in Zukunft zur Verfügung stellen. Mittelgroße Unternehmen fallen künftig aus dem Raster. Das betrifft nicht nur den Mittelstand, sondern auch MDAX-Unternehmen.
Steht der Asset Manager also künftig vor der Wahl, in Unternehmen X oder Y zu investieren, wird Unternehmen X die erforderlichen Datenpunkte bereitstellen können. Dadurch ist es ein Leichtes, ein relativ klares KPI-Set abzuleiten – für Gender Pay Gap, für CO2 oder Water Pollution. Für das nicht berichtspflichtige Unternehmen Y, das in Zukunft keine ESG-Daten mehr erhebt und bündelt, muss sich der Asset Manager hingegen etwas einfallen lassen.
Und hier ergibt sich die Chance zur Distinktion zur Abhebung vom Markt: Denn Asset Manager können Daten innovativ messen und qualitativ herleiten. Sie können sich auf ein Gebiet spezialisieren. Vor allem aber können sie das Transformationspotenzial in ihren Investments stärker gewichten. Was ist damit gemeint? Unternehmen, die heute zum Beispiel eine im Branchenvergleich negative CO2-Bilanz aufweisen, können trotzdem als nachhaltig eingestuft werden. Die Bedingung: Sie kompensieren diesen Makel anderweitig und investieren zum Beispiel in vielversprechende Zukunftstechnologien wie Windparks.
Wer arbeitet mit den besten Datenlieferanten zusammen? Wer hat die besten Methoden für eine differenzierte Beurteilung? Wer kann sich als Spezialist profilieren? Asset Manager, die konstruktiv und zielgerichtet mit der Daten-Lücke umgehen, verschaffen sich einen klaren Wettbewerbsvorteil. Vor allem aber können sie in eine noch aktive Rolle bei der Gestaltung der ökologischen Transformation der Wirtschaft schlüpfen. Denn wenn man der Omnibus-Initiative etwas Positives abgewinnen will, dann das: Investitionsmanager haben viel mehr Definitionsmacht darüber, was aus ihrer Sicht nachhaltig ist und was nicht.
Dieser Punkt darf nicht missverstanden werden. Über Erfolg und Misserfolg entscheidet weiterhin, ob Investitionsentscheidungen transparent und nachvollziehbar für Dritte sind. Da in vielen Fällen die klaren KPIs wegfallen, ist das Risiko groß, unter Greenwashing-Verdacht zu geraten. Die Nachhaltigkeit eines Unternehmens muss belegbar sein und für diese Belegbarkeit müssen sich die Asset Manager in Zukunft selbst kümmern. Wem dies gelingt, darf auf einen Reputationsgewinn hoffen und profiliert sich als verlässlicher Partner für die Transformation.
Für Asset Manager steht mit Omnibus ein großer Umbruch bevor, der sicher nicht reibungslos verlaufen wird. Doch eine optimistische Perspektive auf das Kommende wird ohne Frage helfen, auch die Chancen in diesem Umbruch zu erkennen und womöglich sogar neue Geschäftsfelder zu erschließen. Angesichts der weiterhin lahmenden Wirtschaft in Deutschland und der geopolitischen Unsicherheit erfährt das Projekt ESG einen Dämpfer.
Doch dieser wird nur vorübergehend sein. Und Asset Manager können dazu beitragen, die Grundprinzipien nachhaltigen Wirtschaftens auch in dieser Übergangsphase nicht aus dem Blick zu verlieren. Mehr noch: Sie können das Mehr an Freiheit nutzen, die ihnen Omnibus verschafft, und einen aktiven Part bei der ökologischen Transformation der Wirtschaft einnehmen. Eine gar nicht so schlechte Aussicht, oder?
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