Solar- und Windparks: Schweizer Investment-Firma übernimmt Kontrolle bei angeschlagener Baywa-Tochter
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
Baywa r. e., der Projektentwickler für Solar- und Windparks, steht vor einem Neustart. Die Schweizer Investmentgesellschaft Energy Infrastructure Partners (EIP) übernimmt die Mehrheit an der Firma, die zum angeschlagenen Münchener Baywa-Konzern gehört. Darüber war seit Monaten spekuliert worden. Die in Zürich domizilierte EIP erhöht ihren Anteil an der Baywa r. e. durch eine Kapitalerhöhung um 150 Millionen Euro von 49 Prozent auf 65 Prozent. Die übrigen Minderheitsanteile bleiben bei der Baywa.
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Führende Kreditgeber würden Baywa r. e. als unabhängige Firma durch eine Finanzierung unterstützen. Diese sei bis Ende 2028 verlängert worden, hiess es in der Medienmitteilung der EIP.
Die Baywa r.e. war ebenso wie der Mutterkonzern Baywa durch zu starkes Wachstum in Kombination mit schlechtem Risikomanagement in die Bredouille geraten. Mitte 2024 hatte ein Bewertungstest bei der Baywa zu Abschreibungen über 222,2 Millionen Euro geführt, davon waren 171,5 Millionen auf die Baywa r. e. entfallen.
Fokussierung auf unabhängige Stromerzeuger«Der Kontrollwechsel geht mit einer strategischen und geografischen Fokussierung sowie einer Bereinigung des Geschäfts-Portfolios einher», sagt Roland Dörig, geschäftsführender Partner von EIP, im Gespräch mit der NZZ. Zudem plane EIP ein Rebranding inklusive einer Änderung des bisherigen Namens. Damit wird auch nach aussen das Ende der bisher dominierenden Stellung des Baywa-Konzerns signalisiert.
Im Kern will Dörig das sogenannte IPP-Geschäft der Baywa r. e. ausbauen. Ein Independent Power Producer (IPP) ist ein unabhängiger Energieerzeuger, der Strom erzeugt und diesen an das öffentliche Stromnetz verkauft. Derlei Unternehmen seien nicht mit den traditionellen öffentlichen Versorgungsunternehmen verbunden und könnten daher unabhängig agieren, erklärt Dörig. Sie würden ferner verschiedene Energiequellen nutzen, einschliesslich erneuerbarer Energien wie Wind- und Solarenergie.
In der vergangenen Dekade ist die Baywa r. e. sowohl durch Zukäufe als auch organisch schnell und stark gewachsen. Die Firma entwickelt, betreibt und vermarktet Projekte und Dienstleistungen im Bereich erneuerbare Energien. Als Projektfinanzierer für Solar- und Windparks profitierte das Unternehmen vom Boom der Branche.
Im Kern erwarb oder pachtete Baywa r. e. grosse Grundstücke von Landwirten, holte Baugenehmigungen und Umweltgutachten ein, kaufte Komponenten von Solarmodul- oder Turbinen-Herstellern. Schliesslich baute und eröffnete sie Solar- und Windparks auf der Fläche.
Neuaufstellung des AufsichtsratsKünftig soll die Baywa r. e. laut Dörig finanziell und strategisch unabhängig vom früheren Mutterkonzern operieren. Im Mittelpunkt soll das beschriebene IPP-Portfolio stehen. Bisherige Randaktivitäten wie Dienstleistungen für Dritte oder der Grosshandel mit Solar-Komponenten sollten künftig nicht mehr zum Geschäft gehören, sagt Dörig. Zudem will er sich auf die die Regionen Europa und Nordamerika fokussieren. Zuvor hatte die Firma auch Projekte in Asien und Australien.
EIP will nun zuerst den Aufsichtsrat personell neu aufstellen. Dabei holt sie Experten von aussen dazu. Der Chef der Firma, Matthias Taft, bleibt auf seiner Position. In den vergangenen Monaten war Taft von Beobachtern als Vorstandschef auf Abruf beschrieben worden. Laut einer Mitteilung unterstützt die Strategieberatung Ziems und Partner die Baywa r. e. bei der finanziellen Sanierung und der operativen Transformation. Hans-Joachim Ziems wird als Chef-Restrukturierer in den Vorstand berufen. Zudem amtiert mit Elmar Geissinger ein Partner von Ziems und Partner seit 14. Februar als Finanzchef. Weiterhin im Aufsichtsrat dabei sind der ehemalige FDP-Ständerat Ruedi Noser und Sulzer-Chefin Suzanne Thoma.
Die Baywa ist seit Jahrzehnten eine bekannte Grösse in der bayerischen Landwirtschaft und gilt als Deutschlands grösster Agrar- und Baustoffhändler. Unter anderem nimmt die Baywa im Obst- und Gemüsehandel den Landwirten im Herbst ihre Produkte ab und verkauft sie weiter. 2023 hatte der Konzern ausgerechnet im hundertsten Jahr des Bestehens den ersten Verlust der Geschichte ausgewiesen.
Finanzaufsicht prüft KonzernabschlussEnde der 2000er Jahre stieg das Management über die Tochter Baywa r. e. dann ins Geschäft mit Wind- und Solarparks ein und vermarktete die erzeugte Energie teilweise auch. Die Zürcher EIP war vor vier Jahren dazugestossen, indem sie einen Minderheitsanteil von 49 Prozent an der Baywa r. e. für 530 Millionen Euro gekauft hatte.
Das starke Wachstum hatte beim Mutterkonzern jedoch zu einem milliardenschweren Schuldenberg geführt. Im vergangenen Jahr erhielt die Baywa dann Überbrückungskredite und Liquiditätshilfen im jeweils dreistelligen Millionen Bereich. Konzernchef Marcus Pöllinger musste schliesslich das Unternehmen verlassen.
Mitte November hatte die Finanzaufsicht Bafin zudem mitgeteilt, den Konzernabschluss der Baywa für 2023 und den zugehörige Lagebericht einer Bilanzkontrolle zu unterziehen. Es gebe konkrete Anhaltspunkte, dass die Darstellung der Finanzlage und der Risiken aus der Finanzierung des Konzerns fehlerhaft gewesen seien.
Ende Januar dieses Jahres hatten dennoch mehr als 95 Prozent der Finanzgläubiger das neue Finanzierungskonzept der Baywa unterstützt und sich für ein langfristiges Sanierungsverfahren ausgesprochen. Dieses soll bis Ende des Jahres 2027 laufen.
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