Autobauer in der Krise: Ford fehlt der Focus

Der Moment der Hoffnung liegt vier Jahre zurück. Größen aus Konzern und Politik waren gekommen, um die Zukunft des Kölner Ford-Werks zu feiern: Zwei Milliarden Dollar hatte der US-Konzern unter anderem ins „Ford Cologne Electrification Center“ und zwei neue Elektromodelle gesteckt, die den angeschlagenen Standort sichern sollten. Einen „weiteren wichtigen Grundstein für den Erfolg der nächsten Jahrzehnte“ sah der damalige Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier gelegt.
Vier Jahre später geht es in Köln um die Existenz. Aus Protest gegen harte Abbaupläne hat die Belegschaft am Mittwoch die Produktion lahmgelegt - mit dem ersten regulären Streik in der fast hundertjährigen Geschichte der Kölner Ford-Werke. „Die Kollegen wissen, dass es um alles oder nichts geht“, sagte Betriebsratschef Benjamin Gruschka.
Köln ist das Herz der europäischen Ford-Aktivitäten, dort wird nicht nur produziert, sondern auch entwickelt und verwaltet. Lange Zeit kam der Bestseller Fiesta aus Köln-Niehl, jetzt sind es die beiden Elektroautos Capri und Explorer. Doch die verkaufen sich schlecht, und so hat der Konzern vor einigen Monaten angekündigt, von den verbliebenen 11.500 Stellen bis Ende 2027 weitere 2900 zu streichen.
Betriebsbedingte Kündigungen sind vertraglich zwar bis 2032 ausgeschlossen, aber die Gewerkschaft fürchtet mittlerweile einen viel radikaleren Schritt: die Pleite der deutschen Ford-Tochter. „Nun ist es von höchster Dringlichkeit, ein insolvenzgeschütztes finanzielles Sicherheitsnetz für alle zu verhandeln“, sagte ein IG-Metall-Sprecher im März. Man kam nicht weit, aber der Streik hat offenbar für neue Bewegung gesorgt: Die Ford-Geschäftsführung hat am Dienstag noch vor Streikbeginn weitere Gespräche angeboten.
Die Sorge der Gewerkschaft ist nicht aus der Luft gegriffen. Ford habe in Europa einen „schleichenden Niedergang“ hinter sich, sagt der Branchenexperte Frank Schwope von der Fachhochschule des Mittelstands (FHM). „Irgendwann haben sie vielleicht genug.“
Die Lage für Ford in Europa „ist schlecht und die Perspektive noch schlechter“, sagte der Direktor des Bochumer Autoinstituts CAR, Ferdinand Dudenhöffer, der Deutschen Presse-Agentur. Die Analysten des Investmenthauses Jefferies schrieben schon im Dezember: „Wir bezweifeln Fords Fähigkeit, die Präsenz in Europa aufrecht zu erhalten.“
So schrillten bei der IG Metall die Alarmglocken, als die Ford-Zentrale im Detroiter Vorort Dearborn die „Patronatserklärung“ für die deutsche Tochter kündigte, eine umfassende Finanzgarantie. Im Gegenzug gab es zwar eine milliardenschwere Kapitalerhöhung, aber die Botschaft ist klar: Die Verbindung wird gelockert, das Risiko für den Mutterkonzern begrenzt.
Frank Schwope
Fachhochschule des Mittelstands
Es ist der vorläufige Höhepunkt einer Krise, die lange schwelt. „Sie folgen im Grunde der schlechten Strategie von General Motors”, sagt Schwope mit Blick auf den einstigen Opel-Eigentümer: Wieder ein US-Konzern, der sein Europageschäft aus dem fernen Detroit ins Abseits steuert.
Allein seit 2019, dem letzten Jahr vor der Pandemie, hat sich Fords Anteil am ohnehin schrumpfenden deutschen Markt auf knapp 4 Prozent halbiert. Und davon entfällt nach Jefferies-Schätzungen rund die Hälfte auf Leichttransporter wie den Transit, mit denen Ford auch in Europa sehr erfolgreich ist. Den Marktanteil der klassischen Pkw schätzen die Experten noch auf gut 2 Prozent - die Größenordnung von Dacia.
Das ist kein Wunder, denn das Angebot ist radikal geschrumpft. 2022 flog der Passat-Konkurrent Mondeo aus dem Programm, 2023 folgten die Minivans S-Max und Galaxy und im gleichen Jahr lief in Köln der letzte Fiesta vom Band. In Saarlouis geht der Focus in die letzte Runde: Produktionsende im Herbst. Vor einem Jahrzehnt war er das meistverkaufte Auto der Welt.
Auf der Ford-Homepage fehlt er bereits, Interessenten müssen den Kompaktwagen wie andere vertraute Alltagsautos suchen. Groß präsentiert Ford die E-Autos Explorer, Capri und Puma Gen-E. Daneben fährt noch der aus den USA importierte Mustang ins Bild - die Antithese mit acht Zylindern und 446 PS.

Für den elektrischen Ford Explorer liefert VW die Plattform.
Quelle: Rolf Vennenbernd/dpa
Es ist das Ergebnis einer Strategie, die Fachleute vom ersten Tag an staunen ließ. Fords Europageschäft steckte bereits in Schwierigkeiten, als der Schwenk zur Elektromobilität begann. Der Konzern hatte nichts Passendes im Angebot, nicht einmal in der Entwicklung, und kaufte eilig eine Elektroplattform bei Volkswagen. Die Modelle Explorer und Capri sind technisch Schwestern von VW ID.4 und ID.5.
Trotz der wackligen Basis waren die Ziele umso ehrgeiziger. Schon 2030 wollte Ford in Europa nur noch E-Autos verkaufen. Das klassische Modellprogramm wurde drastisch zusammengestrichen, in der Übergangszeit sollten margenstarke US-Modelle wie Mustang und der Pickup Ford Ranger das Geld verdienen - und die Transporter, mit denen Ford in Europa Marktführer ist. Hier sind die Amerikaner so erfolgreich, dass sich selbst VW anlehnt: Der neue VW Transporter ist eine Ableitung des Ford Transit, gebaut in der Türkei.
So wurde aus dem Massenhersteller eine Nischenmarke mit wenig Profil und viel Nutzfahrzeuggeschäft. Nicht umsonst hat der Händler Ford Kögler seine TV-Spots geändert: Jahrelang warb er in Bad Nauheim mit „Europas größter Ford-Ausstellung“ - jetzt ist er „Europas größter Transporter Discounter“.
rnd