Vom Mittelstands-Banker zum Private-Markets-Pionier: „Ich möchte einen Private-Markets-Fonds so einfach kaufen können wie einen ETF“

private banking magazin: Robin, nimm uns doch mal mit auf Deinen Werdegang. Von Stuttgart nach Berlin und von der Bank zum Start-up.
Robin Binder: Gern. Ich habe dual bei der Hypovereinsbank studiert und bin dann in ein Midcap-Team eingestiegen. Ich habe Mittelständler in Süddeutschland betreut, weil ich ursprünglich aus Stuttgart komme. Bei der Bank waren das Unternehmen mit bis zu einer Milliarde Umsatz. Mein Fokus lag auf komplexen Finanzierungen, sprich Firmenkäufe. Einer meiner Kunden, den ich selbst für die Bank akquiriert hatte, hat dann seine Firma an einen Private-Equity-Fonds verkauft und jemanden gesucht, der für ihn in Berlin ein Family Office aufbaut. So kam ich zum Family Office und bin im Februar 2020 nach Berlin gewechselt.
Was hast Du nach dem Cash-Event bei deinem Kunden in Berlin vorgefunden?
Binder: Es war einfach nur eine Gesellschaft, wo das Vermögen drin war. Also die ganz klassische Vermögensverwaltungs-GmbH. Nur leider ohne Strategie dahinter. Es gab zwar viele Investments, aber es fehlte eine komplette strategische Allokation inklusive Liquiditätsplanung. Damit habe ich angefangen. Dabei ging es um die Frage: Wie ist die Liquidität der Unternehmerfamilie aufgestellt? Danach haben wir die Assets analysiert und einen strategischen Plan festgezurrt.
Über was für eine Summe reden wir da?
Binder: Über einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag. Deshalb haben wir auch schnell ein Team zusammengestellt. Wir waren zehn Leute und ich Co-Geschäftsführer neben dem Vermögenseigentümer. Mein Fokus lag auf einer klaren, sehr Cashflow-getriebenen Strategie. Das ist auch etwas, was ich gelernt habe beim Anlegen, gerade für die Familie: Du verkaufst dein Unternehmen.
Dann hast du deine Immobilien, wo ein bisschen Cash reinkommt – dein Humankapital und deine Ausschüttungen existieren nicht mehr –, aber das Leben kostet ja trotzdem. Finanzierungen laufen weiter und wenn du dann irgendwelche Wünsche hast, kannst du nicht alles illiquide anlegen, weil du Cashflow-Bedarf hast. Deshalb ist Cashflow-Planung essenziell. Das habe ich aus dem Corporate Banking mitgenommen.
Wie legt man denn Cashflow-getrieben an? Was gilt es da zu beachten und was sind die Fehler?
Binder: Der größte Fehler ist, nur auf die Rendite zu schauen. Private Equity etwa hat zwar das höchste Renditepotenzial, aber traditionell bist du ja sehr lange gebunden, sieben bis zehn Jahre. Erste Erträge hast du auch erst nach fünf, sechs Jahren. Das heißt, erstmal gibt es kein Cash. Es braucht also ein gesundes Gleichgewicht zwischen Cashflow und Rendite. Wir haben oft auf Renditepotenzial verzichtet, aber dafür auf Stabilität gesetzt.
Dafür haben wir viel mit Anleihen gearbeitet. Private Debt etwa ist wahnsinnig interessant. Es gibt höhere Erträge gegenüber klassischen Anleihen und ein schönes Cashflow-Profil. Das größte Ziel eines Family Offices sollte daher sein, eine Risikotoleranz abzubauen und gleichzeitig das Renditeziel zu maximieren. Rendite, Cashflow und wenig Volatilität. Das ist nur durch eine negative Korrelation von Asset-Klassen untereinander möglich und genau da kommen die Private Markets ins Spiel.
Gehört dieser Dreisatz zur gelebten Praxis im Private Banking?
Binder: Da muss man stark unterscheiden, mit wem man spricht. In der Breite ist der Dreisatz aber noch nicht angekommen. Das sind auch große Hürden, gerade weil der Vertrieb von Private-Markets-Produkten so komplex ist. Man muss die Produkte selbst verstehen, sodass man entsprechend beraten kann.
Im Private Wealth Management – also noch mal eine Ebene höher – gibt es schon teilweise echt starke Leute, die eine hohe Kompetenz haben. Und der Trend geht ja auch ein bisschen dazu, dass es nicht nur das Private Banking gibt, sondern eigene Family Office-Betreuungseinheiten.
Bevor wir über Deine Gründungsidee sprechen – noch eine Frage zum Denominator-Effekt. Der hat in den vergangenen Jahren für Stress gesorgt.
Binder: Die letzten Jahre waren für Private Equity nicht einfach. Es gab wenig Verkäufe, also weniger Erträge und Auszahlungen an die Anleger. Davor waren goldene Jahre. Wenn ich mal komplett rauszoome, also 25 oder 50 Jahre, wird klar, dass die Private Markets einen Teil des Portfolios darstellen sollten.
Eben um ein höheres Renditepotenzial zu erreichen und um gleichzeitig die Volatilität zu reduzieren. Mit Blick auf den Dominator-Effekt sollte man aus meiner Sicht einfach mit dynamischen Allokationen arbeiten oder auf semi-liquide Lösungen mit etwas Flexibilität setzen.

Was hat dich dann dazu bewegt, NAO zu gründen?
Binder: Ich habe erkannt, dass viele Menschen – wie du und ich – einen relativ schweren Zugang zu Private Markets-Investments haben. Die Erkenntnis, dass ich als Family Officer Zugänge habe, die ich als Privatmann nicht habe, hat mich umgetrieben. Bei Aktien und bei ETFs wurden die letzten fünf Jahre dominiert von Online-Brokern – einfacher Zugang, alles transparent, Mobile First.
Das muss doch auch bei Private Markets gehen. Ich habe mir den Markt angesehen, es gab Digitalisierungsversuche, aber die waren immer relativ vertriebslastig. Ich wollte einen Private Markets-Fonds so einfach kaufen und abwickeln können wie einen ETF. So ist die Idee entstanden und ich habe Mitte 2022 losgelegt.
Jetzt kooperierst Du mit wie vielen Partnern inzwischen?
Binder: Mit Elf.
Was sind Deine mittelfristigen Ziele mit den aktuellen Partnern und möglichen weiteren?
Binder: Ich will erstmal Europas bestes Private-Markets-Offering aufbauen. Übergeordnet möchte ich die führende Plattform für Private Alternatives werden. Wenn jemand jetzt in Deutschland oder auch in Europa über Aktienhandel spricht, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Namen Trade Republic oder Scalable fallen. Ich möchte, wenn man in Europa über Private-Markets-Investments spricht, dass dann NAO der Name ist, der fällt.
Deswegen schauen wir, dass die Produkte höchste Qualität haben, dass die Kostenstrukturen fair sind, dass der Asset Manager schon sehr lange Track Records hat, und weiß, was er macht und dass auch die Strategien zu Privatanlegern passen. Und ich möchte gemeinsam mit den Partnern den Markt edukativ begleiten. Das ist die größte Hürde aktuell. Das kann NAO nicht allein erreichen und unsere Partner, die Asset Manager, können das auch nicht allein, da sie keinen direkten Zugang zu den Endkunden haben. Also müssen wir zusammen an einem Strang ziehen.
Bei Trade Republic und Scalable hast Du einen recht fungiblen Asset-Bereich, täglicher NAV oder einen Aktienkurs. Das hast Du bei den Private Markets nicht. Das ist Nachteil und Vorteil gleichermaßen.
Binder: Klar, Fungibilität ist ein Thema bei uns. Aber auch bei den anderen Plattformen kommen semiliquide Strukturen ins Angebot. Aber ja, Private Markets bleiben eine längerfristige Anlage und man hat keinen täglichen Preis. Das muss man über Edukation lösen. Warum sollte ich überhaupt in Private Markets investieren? Das müssen wir erklären. Genauso wie, dass niemand ein 100-Prozent-Investment braucht, sondern vielleicht 5 oder 10 Prozent, also eine Beimischung. Dann sind die Private Markets eher ein Schutz und mehr Segen als Fluch im Portfolio-Kontext.
Bei Private-Equity-Fonds gibt es eine enorme Dispersion – ich glaube 2.000 Basispunkte –, das gibt es ja sonst nicht in der Form.
Binder: Wir haben eine ganz klare Due Diligence und die schließt solch eine hohe Dispersion aus. Wir schauen uns die Fonds an: Wie ist die historische Rendite? Wie ist die Renditedispersion auch innerhalb des Portfolios? Ich möchte keinen Fonds, der mal 25 Prozent IRR macht und dann minus 10. Mir ist es am liebsten, wenn die Manager mit über 80 Prozent der Deals zwischen 2x und 4x als Multiplikator auf das eingesetzte Kapital machen –, das spricht für ein solides Private-Equity-Portfolio und für weniger Schwankungen als bei Managern mit wenigen Fund-Returnern.
Wir prüfen darüber hinaus auch die Kostenstrukturen. Es ist gut, dass so viele Anbieter aktuell auf den Markt kommen und im Wettbewerb die Total Expense Ratios fallen. Das sorgt für faire Strukturen. Und natürlich prüfen wir die Liquiditätsprozesse. Wir schauen uns beispielsweise an, ob der Manager mit einem Evergreen-Fonds schon mal eine Krise durchgemacht hat. Oder, ob er seine Liquidität managen kann, oder ob es häufig ein Gating gab. Das sind unsere Themen in der Due Diligence. Dann kommen in aller Regel fünf oder sechs verschiedene Strategien auf die Short-List aus der dann eine finale Lösung ausgewählt wird.
Du hast viele Tattoos. Gab es die schon in Stuttgart oder sind die so ein Berlin-Ding?
Binder: Die gab es schon in Stuttgart und in der Bank. Aber du siehst, die gehen nicht den ganzen Arm runter. So konnte ich in der Bank das Hemd immer noch etwas hochkrempeln, ohne dass man was gesehen hat.
Du schaffst Dein Ziel und NAO ist Europas größte Private Markets-Plattform. Was gönnst Du Dir für ein Tattoo?
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