Eine Billion Dollar für Elon? Die Tesla-Aktionäre stimmen dem grössten Bonus aller Zeiten zu

Musk hatte angedroht, Tesla zu verlassen oder sich anderen Projekten zu widmen, falls das gigantische Vergütungspaket scheitert. So weit kam es nicht. Der gut gelaunte Firmenchef versprach, dass Tesla die Menschheit in eine Welt des nachhaltigen Überflusses führen könne.

Kann ein Firmenchef eine Billion Dollar wert sein? Die Tesla-Aktionäre sagen: Natürlich. Sie haben am Donnerstagabend an einer denkwürdigen Generalversammlung ein Vergütungspaket für Elon Musk mit über 75 Prozent der Stimmen befürwortet, das ihm im besten Fall rund eine Billion Dollar einbringen wird. Es handelt sich, mit weitem Abstand, um den grössten Bonus, der jemals einem Firmenchef zugesprochen worden ist.
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Tesla-CEO Musk würde zum ersten Billionär der Welt, wenn er Tesla auf die Erfolgsspur zurückbringen kann. Ein solcher Reichtum schien bis vor wenigen Jahren noch undenkbar – weder der Duden noch die bei der NZZ hinterlegte Rechtschreib-Software kennen den Begriff «Billionär» überhaupt.
Der steinige Weg zur ersten BillionAn der denkwürdigen Aktionärsversammlung in Austin hatte Musk, wie eigentlich immer an solchen Veranstaltungen, das Publikum hinter sich. Die Anwesenden brachen in lauten Jubel aus und gaben stehenden Beifall, als das Resultat bekanntwurde.
Zu Beginn der Veranstaltung hatten sie bereits gebuht, als Minderheitsaktionäre den Tesla-Verwaltungsrat kritisiert und Anträge gestellt hatten, um für eine schärfere Corporate Governance im Unternehmen zu sorgen. Und in der abschliessenden Fragerunde, die ein gut gelaunter Elon Musk mehrfach ausdehnte, dankten ihm zahlreiche Fragesteller für alles, was er für die Aktionäre, Tesla und schlechthin die Menschheit geleistet habe.
Der Tesla-Verwaltungsrat hat in den vergangenen Wochen intensiv um die Gunst der Investoren geweibelt. Präsidentin Robyn Denholm warnte öffentlich, dass man Elon Musks Motivation hochhalten müsse; er könnte das Unternehmen verlassen, falls ihm der Bonus nicht gewährt würde. Musk selbst hatte ebenfalls solche Andeutungen gemacht. Und er hatte im Oktober die Telefonkonferenz zum Quartalsergebnis von Tesla dazu genutzt, um vor Analysten und Investoren für den Bonus-Plan zu werben. Es gehe ihm nicht ums Geld, sagte der Tesla-Chef, sondern um Einfluss über die Ausrichtung von Tesla.
Elon Musk, der dank seinen Tesla-Aktien schon heute als reichster Mann der Welt gilt, erhält seine Billion zumindest nicht einfach geschenkt. Der Bonus-Plan ist gestaffelt und umfasst sehr anspruchsvolle Ziele. Musk soll jeweils 1 Prozent aller Tesla-Aktien erhalten, wenn das Unternehmen jeweils zwei Meilensteine erreicht.
Eine erste Tranche würde Musk übertragen, sobald der Börsenwert von Tesla die Marke von 2 Billionen Dollar überschreitet und das Unternehmen eines von mehreren operationellen Zielen erreicht. Zu diesen Zielen gehört, dass das Unternehmen mehr als 20 Millionen Fahrzeuge oder eine Million humanoide Roboter ausliefert, mehr als 50 Milliarden Dollar Vorsteuergewinn erzielt, oder dass 10 Millionen Tesla-Fahrer den «vollautomatischen» Fahrmodus («Full Self-Driving») verwenden.
Den maximalen Bonus von 12 Prozent aller Tesla-Aktien bekäme Musk zugesprochen, wenn das Unternehmen 8,5 Billionen Dollar wert ist und regelmässig einen Vorsteuergewinn von 400 Milliarden Dollar pro Jahr erzielt. Einzig in diesem Szenario wäre es möglich, dass der Tesla-Chef eine Vergütung von mehr als einer Billion Dollar erhält. Den Börsenwert von Tesla zu steigern, zahlt sich für Musk also doppelt aus: Er erhält zum einen mehr Bonus-Aktien, zum anderen nimmt der Wert dieser Bonus-Aktien zu.
Derzeit ist Tesla an der Börse rund 1,4 Billionen Dollar wert. Schon die 2-Billionen-Marke ist insofern eine hohe, aber keine utopische Marke. Die Gewinnziele liegen derzeit aber noch nicht in Reichweite: Der annualisierte Vorsteuergewinn betrug zuletzt erst knapp 15 Milliarden Dollar.
Tesla setzt auf ÜberflussViele Tesla-Anleger sind felsenfest davon überzeugt, langfristig auf das richtige Pferd zu setzen. Das zeigte sich einmal mehr an diesem Donnerstag in Austin: Die Aktionäre befragten Musk nicht zum hohen Kurs-Gewinn-Verhältnis der Tesla-Aktie oder zur nachlassenden Gewinnmarge. Die Fragen waren grösserer Natur: Werde man dereinst sein Bewusstsein in einen Roboter übertragen können? Wann würden die Leute aufhören, Autos zu kaufen, weil die Kosten pro gefahrener Meile so tief sein würden, dass sich ein Kauf schlicht nicht mehr lohne? Und: Wie denke Elon nach?
Tesla und Musk haben sich unter dem Leitmotiv, «nachhaltigen Überfluss» (Sustainable «Abundance») zu schaffen, ehrgeizige Langfristziele gesteckt: Mehr selbstfahrende Elektroautos, eine eigene KI-Plattform, eine riesige Robotaxi-Flotte sowie intelligente, humanoide «Optimus»-Roboter für alle. Musk prophezeite, dass diese Roboter bald so günstig und leicht verfügbar sein würden, dass sie Armut eliminieren und Krankheiten bekämpfen könnten.
Dass der Autokonzern auf den Begriff «Abundance» zurückgreift, ist aus politischer Sicht bemerkenswert. In den USA hat sich unter diesem Begriff eine lose Allianz an linksliberalen und zentristischen Meinungsführern versammelt, die im Wettstreit um die Ausrichtung der demokratischen Partei einigen Einfluss ausübt. Geprägt haben die Debatte die beiden Journalisten und Autoren Ezra Klein und Derek Thompson, die ein Buch unter diesem Titel veröffentlicht haben. Kurz gesagt geht es darum, das Leben der Bürger dank einem effizienteren Staat und technologischem Fortschritt spürbar zu verbessern.
Dass Elon Musk, der bis vor wenigen Monaten noch als oberster Berater und Cheerleader des republikanischen Präsidenten Donald Trump aufgetreten ist, dasselbe Vokabular nutzt, ist interessant. An der Aktionärsversammlung betonte er einmal mehr, wie wichtig die Kombination aus Solarenergie und Batteriespeichern sei, um die Energieprobleme der Welt zu lösen. Es zeigt, dass er eine Brücke zur linksliberalen Stammkundschaft von Tesla schlagen will, die sich im Frühjahr wegen Musks politischem Aktivismus zum Teil vom Unternehmen abgewendet hatte.
Nicht alle Aktionäre sind begeistertNun geht es für Musk zurück an die Arbeit, die Billion will schliesslich verdient sein. Die Herausforderung für seine Führungscrew: Sie müssen die versprochenen Zukunftstechnologien vorantreiben und gleichzeitig das angestammte Geschäft mit Elektroautos, Solarpanels und Gross-Batterien stabilisieren und ausbauen.
2025 geriet Tesla aber in allen drei Kernmärkten – China, USA und Europa – wegen der immer stärkeren Konkurrenz und Musks umstrittenem politischen Engagements unter Druck. Der Gewinn ist eingebrochen und würde, für sich genommen, den hohen Börsenwert von Tesla nicht rechtfertigen. Der Widerstand zahlreicher institutioneller Anleger gegenüber Musk und dem Tesla-Verwaltungsrat, der ihm in vielen Bereichen eine «carte blanche» erteilt, wird zudem kaum abnehmen.
Musk selbst befürchtet, dass ein zunehmend aus passiven Indexfonds und Pensionskassen zusammengesetztes Aktionariat die Chancen von Zukunftstechnologien nicht mehr richtig einschätzen und das Unternehmen zu zaghaft ausrichten könnte. Er zog an der Analystenkonferenz vor zwei Wochen vor allem gegen die Stimmrechtsberater Glass Lewis und ISS vom Leder, diese würden schreckliche Empfehlungen abgeben.
Glass Lewis und ISS hatten sich beide gegen den Bonus-Plan für Musk ausgesprochen, ebenso wie mehrere Grossaktionäre. Darunter sind etwa der norwegische Staatsfonds oder die mächtigen Pensionskassen des kalifornischen Staatspersonals sowie der amerikanischen Lehrer. Musk selbst, der schon heute mit Abstand der grösste Tesla-Teilhaber ist, dürfte dem Bonus-Plan zugestimmt und mitgeholfen haben, seine Macht im wertvollsten Autokonzern der Welt noch einmal deutlich auszubauen.
nzz.ch



