Weihnachtsgebäck im August: Zimtsterne, die in der Sonne liegen

Mit den Jahreszeiten nehmen es die Supermärkte nicht so genau. Während die Menschen sich auf das vermutlich letzte sommerliche Wochenende in diesem Jahr freuen, stapeln sich schon seit Tagen die ersten Packungen mit Lebkuchen in den engen Gängen der Supermärkte. Der Einzelhandel hat ziemlich plötzlich die Weihnachtszeit ausgerufen und damit dem ein oder anderen einen ziemlichen Schrecken eingejagt. War - gefühlt - nicht gestern noch April? Und steht im Küchenregal nicht noch der in goldfarbenem Papier eingepackte Osterhase? Höchste Zeit, dass er seinen Platz räumt. Für Nikoläuse, Spekulations und Zimtsterne.
Der Einzelhandel ist dem Kalender auch in diesem Jahr um ein paar Monate voraus. Anstatt dass, der Jahreszeit angemessen, Kürbiskekse und Linseneintopf in der Dose den Weg zur Kasse versperren, kommt man an Lebkuchen mit weißem Schokoladenüberzug und Marzipankartoffeln XXL einfach nicht vorbei. Sie stehen überall. Dabei gibt es in den Einkaufswägen jedes beliebigen Supermarktes ein eklatantes Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage. Die Menschen scheinen im September lieber Wirsing, Maronen und Pflaumen vor sich herzuschieben, statt Gewürzkekse, Schafe und Nikoläuse aus Schokolade.
Eine Umfrage des Kölner Meinungsforschungsinstituts YouGov bestätigt die Beobachtungen. Demnach lehnen fast drei Viertel aller Befragten das Angebot von Weihnachtssüßigkeiten im Sommer und Herbst ab. Erst ab November kaufen die Menschen Weihnachtsmänner, Sterne und Elfen mit Fettglasur und Goldhaar. Und dann natürlich im Überfluss. Im vergangenen Jahr gingen laut YouGov allein im November knapp 180 Millionen Packungen weihnachtliches Allerlei über die Supermarkt-Theken, die Diebstähle noch nicht mit einbegriffen. Nur: Bis November sind es noch mehr als 40 Tage.
Rewe, Lidl, Aldi Nord, Aldi Süd und all die anderen - sie alle werden sich also noch ein wenig gedulden müssen, bis die große, kollektive Suche nach der alljährlichen Weihnachtsvöllerei beginnt. Es sei denn, die 20 Prozent, die sich laut YouGov-Umfrage schon jetzt über das Angebot freuen, schlagen richtig zu.
Aber ist es wirklich so schlimm? Es gäbe da einige Gründe, warum man spätestens im September Weihnachtssüßigkeiten kaufen sollte. Einer wäre: Heute auf den Tag genau sind es noch 100 Tage bis Heiligabend. Fängt man jetzt schon mit den Vorbereitungen an - Geschenke bestellen, Karten basteln, Kekse backen - dann entgeht man im Dezember dem großen vorweihnachtlichen Burn out. Vielleicht stellt sich zwischen den Jahren dann tatsächlich einmal Besinnlichkeit ein.
Fängt man jetzt mit den Vorbereitungen an - und die wichtigste Vorbereitung ist eben die Kulinarik, dann hat man außerdem genug Zeit, um sich den Winterspeck ganz gemütlich anzufuttern. Der ersetzt dann nicht erst im neuen Jahr, sondern schon ab November die Daunenjacke und rechtfertigt spätestens im Januar dann auch die neue Fitnessstudio-Mitgliedschaft.
Sobald das Weihnachtsgebäck im August die Supermarktregale überquellen lässt, lohnt es sich also, schnell zu sein. Denn wer weiß, wann die restlichen drei Viertel der September-Weihnachts-Monster bemerken, dass nach dem Sommer laut Supermarkt-Logik direkt der Winter kommt. Vielleicht sollte man Lebkuchen, Dominosteine, Spekulatius und Co nicht nur jetzt schon kaufen, vielleicht sollte man sie direkt hamstern. Nicht, dass im Oktober die ganze Zucker-Party ausverkauft ist, das wäre ja wirklich dramatisch.
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