Industrie: Wie Trumps Zölle einen Schweizer Kaffeemaschinenhersteller treffen

US-Präsident Donald Trump verhängte Anfang August hohe Zölle von 39 Prozent auf Waren, die aus der Schweiz in die USA verkauft werden. Die größten Posten – Pharmaprodukte und Gold, das in der Schweiz umgeschmolzen wird – sind wegen verschiedener Regelungen von diesen Gebühren bislang ausgenommen. Betroffen sind von den hohen Zöllen derzeit hauptsächlich die Schweizer Uhren-, Technologie- und Maschinenindustrie. Und das könnte man bald auch in den USA merken, nicht nur beim Kauf einer Schweizer Uhr, sondern womöglich schon beim Coffee to go.
In Weggis am Vierwaldstättersee werden von der Firma Thermoplan die Vollautomaten unter anderem für die amerikanische Kaffeehauskette Starbucks gebaut. Mehr als 10 000 Maschinen gehen nach Angaben des Unternehmens jährlich in die USA, ein Drittel der Gesamtexporte der Firma. Und darauf sollen jetzt 39 Prozent Zoll fällig werden. Das hat Auswirkungen auf Hersteller wie auf die Kunden, wobei man bei Thermoplan die ganze Sache eigentlich entspannt sehen könnte. Denn laut Chef und Mitinhaber Adrian Steiner seien die Kunden für Import und Logistik zuständig, also auch für die Zölle. „Da könnten wir ja eigentlich sagen: nicht unser Problem.“

Steiner ist 49 Jahre alt und arbeitet seit 27 Jahren bei Thermoplan. Fast so lange gibt es auch die Zusammenarbeit mit Starbucks. Und das, obwohl für amerikanische Kunden der starke Schweizer Franken bereits ein weiteres Problem ist. Und auf Ersatzteile für die Kaffeemaschinen noch einmal die Sonderbesteuerungen für Aluminium, Stahl und Kupfer hinzukommen. Steiner erklärt, man habe sich deshalb mit den Kunden verständigt, die Kosten durch die Zölle ungefähr gleich aufzuteilen. Aber so oder so: Am Ende fehlt Geld. „Es beläuft sich insgesamt auf mehrere 100 000 Schweizer Franken pro Woche, die wir verlieren und nicht für Kundenprojekte oder unsere Mitarbeiter und unsere Infrastruktur einsetzen können“, sagt er.
Obwohl die Zölle erst Anfang August in Kraft getreten sind, merkt der Schweizer Außenhandel bereits jetzt die Auswirkungen. Nach den Zahlen, die das Schweizer Finanzdepartement und das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit am vergangenen Donnerstag veröffentlicht haben, gingen die Exporte in die USA im August bereits um 12,6 Prozent zurück. Das liegt auch daran, dass zum Beispiel viele Uhrenhersteller vor Inkrafttreten der Zölle bereits ihre Warenlager in den USA gefüllt und in den Monaten zuvor deshalb deutlich mehr als normalerweise exportiert hatten. Der jetzige Rückgang wäre also teilweise eine Normalisierung. Auch bei Maschinen, Elektronik und Präzisionsinstrumenten zeichnen sich aber nach gerade einmal einem Monat bereits leichte Rückgänge ab – und diese Produkte werden meist auf Nachfrage und nicht auf Vorrat produziert.

„Die Zölle wieder runterkriegen, das muss sein, das ist uns allen klar“, sagt Steiner deshalb. „Wir sind sonst nichts mehr wettbewerbsfähig zusammen mit dem starken Franken.“ Besonders, wenn man von Herstellern in den anderen europäischen Ländern umgeben ist, von denen derzeit nur ein Zollsatz von 15 Prozent für Einfuhren in die USA gilt. Bei Espresso und Cappuccino aus den eigenen Maschinen erklärt Steiner, welche Maßnahmen für mittelständische Unternehmen wie das seine infrage kommen.
Derzeit planen sie bei Thermoplan, einen Teil der Produktion in die EU zu verlegen, um so von dem niedrigen Zollsatz dort profitieren zu können. Als möglicher Standort kam Italien infrage, wo bereits viele Zulieferer produzieren. Für Kaffeemaschinen eine naheliegende Option. Letztlich fiel die Wahl aber auf Hockenheim in Deutschland, wo es bereits die Niederlassung einer Tochterfirma gibt. Keine leichte Entscheidung, in Weggis hat das Unternehmen gerade erst seinen schicken neuen Hauptsitz eingeweiht. Mit Alpenblick werden hier in mehreren Hallen von Hand die verschiedenen Modelle zusammengebaut. Forschung und Entwicklung finden hier auch statt, es gibt ein Café, Dachgärten und ein Fitnessstudio für die Mitarbeiter.
Die Schweizer Industrie möchte natürlich den eigenen Standort nicht gefährden. Es wird deshalb ein Balanceakt, herauszufinden, wie viel der Produktionskette man sinnvoll verlegen kann, um am Ende als Produkt aus der EU zu gelten und gleichzeitig aber möglichst viel der Wertschöpfung und der Arbeitsplätze in der Schweiz zu erhalten.
Bei Thermoplan planen sie derzeit, die einzelnen Module der Maschinen weiter in der Schweiz zu bauen und zu testen. Zusammenbau, Verkabelung, Verschlauchung, Softwareinstallation sowie weitere Tests und Verpackung sollen aber nach Hockenheim verlegt werden. Zumindest für die Maschinen, die in die USA gehen. Es gäbe dann Thermoplan-Geräte „Swiss Made“ und „Made in Germany“. Die Frage ist, ob die amerikanische Zollbehörde das akzeptiert. „Die Trump-Regierung möchte ja nicht, dass wir nach Deutschland gehen. Deren Intention ist einzig und allein, Wertschöpfung in die Staaten zu bringen“, sagt Steiner. „Es wird nur gehen, wenn wir die amerikanischen Behörden in dieses Projekt involvieren.“
Die Produktion direkt in die USA zu verlegen, wie Trump sich das wünscht, wäre gar nicht so ohne Weiteres möglich. „Eine Halle mieten ist nicht das Problem. Der Aufbau einer Supply Chain schon“, sagt Steiner. „Eine Maschine von uns für Starbucks besteht aus 1200 Komponenten. Es geht aber schon los, dass es in den USA nicht die nötige Qualität bei den Zulieferern gibt.“ Das müsste man erst aufbauen. Und dann benötige man noch immer die Mitarbeiter für die Montage. Der Fachkräftemangel sei aber auch in den USA ein großes Thema. „Und beides aufzubauen, braucht viel Zeit, mindestens ein bis zwei Jahre“, sagt Steiner.
Dazu kommt, dass der Zollsatz für die Schweiz in diesem Jahr von Trump schon mehrmals geändert wurde, von 31 Prozent runter auf zehn und dann wieder rauf auf 39 Prozent. „Diese Planungsunsicherheit beschäftigt Thermoplan, die Schweiz und die ganze Welt“, sagt Steiner. „Die Machtpolitik Trumps wird uns Europäer, und da zähle ich die Schweiz dazu, für die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre vor große Herausforderungen stellen. Es wurde viel Unsicherheit gesät und es braucht viel Zeit, bis sich das wieder normalisiert.“
Wie in vielen anderen Branchen auch geht der Blick längst nach Asien. Dort arbeitet Thermoplan mit der chinesischen Teehauskette Chagee zusammen, die so etwas wie das asiatische Starbucks ist, nur mit Tee statt Kaffee. Für die baut Thermoplan nun etwas, das es bislang bisher nicht gibt, nämlich Teevollautomaten. Das ist eigentlich fast ein Widerspruch in sich. Denn der Vorteil der Kaffeevollautomaten ist, dass sie sehr schnell einen Kaffee aufbrühen und Milch schäumen können. Beides dauert aber, wenn man es richtig macht, auch nur ein paar Sekunden. Tee muss dagegen mehrere Minuten ziehen. Die Entwicklungsabteilung des Unternehmens arbeitet gerade daran, diesen Prozess zu beschleunigen. „Es ist sehr kompliziert“, sagt Steiner.
Bislang sind es umgebaute Kaffeemaschinen, mit denen der Tee zubereitet wird. Eine steht auch im hauseigenen Café in Weggis. Also einfach mal ausprobieren. Die Maschine kann warme und kalte Tees zubereiten. In Sekundenschnelle ist der kalte Grüntee mit Himbeersirup fertig. Schmeckt süß, aber dennoch leicht bitter nach grünem Tee. Ist dies das nächste große Ding? Abwarten. Womöglich verleiht der steigende Kaffeepreis der Teehauskette aber einen Schub, auch außerhalb Asiens. Unternehmenschef Steiner kann den Schwierigkeiten und Unsicherheiten mit den amerikanischen Zöllen wegen solcher Innovationen auch etwas Positives abgewinnen. „Was haben wir denn in der Schweiz? Wir haben ja nur unsere Köpfe!“, sagt er. „Jede Herausforderung hat auch Chancen. Denn sie zwingt uns zur Veränderung.“
Die Schweizer Industrie hat unter Trumps Zöllen kaum eine andere Wahl. Dafür, dass der US-Präsident seine Ansichten zu den Zöllen ändert, gibt es derzeit keine Hinweise. Wahrscheinlich kann da auch der potenziell steigende Kaffeepreis in den USA nicht viel ausrichten. Trump trinkt bekanntlich viel Cola Light und kaum Tee und Kaffee.
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